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Kurzfassung

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Neueste Entwicklungen in der Forschung hinsichtlich „Technischer Früherziehung“ in Deutschland

 

Überblick

 

                          I.      Bildungspolitische Diskussion in Deutschland

                        II.      Entwicklungspsychologische, kognitionspsychologische und neurophysiologische Voraussetzungen für die Hinführung zu naturwissenschaftlichen Phänomenen im frühen Kindesalter

                      III.      Was hat das Lernen mit dem Geschlecht zu tun?

                      IV.      Technische Früherziehung durch audiovisuelle Medien: Fernsehen, Radio, Hörkassetten, Computerspiele, Internet

                        V.      Möglichkeiten der methodisch-didaktischen Umsetzung naturwissenschaftlicher und technischer Themen

 

 

I                Bildungspolitische Diskussion in Deutschland

 

Die Veröffentlichung der PISA-Studie im vergangenen Winter hat ergeben, dass Leistungsfähigkeit und Wissen von Schülerinnen und Schülern  im naturwissenschaftlich-technischen Bereich auch in technisch hoch entwickelten Ländern Europas noch stark förderbedürftig sind.

Die Frage nach den Ursachen für das insgesamt schlechte Abschneiden deutscher Jugendlicher hat in den letzten Monaten folgende Diskussionsaspekte ergeben:

-          Wie können Kinder lernen, Wissen und Kompetenzen in anwendungs- und praxisorientierten Zusammenhängen nutzen zu können?

-          Wie können wir eine bessere Lernkultur entwickeln?

-          Wie können Lernstrategien verbessert werden?

-          Wie können wir „Lernfenster“ der Kinder besser nutzen?

 

Während in den meisten Ländern der Kindergarten als Bildungseinrichtung arbeitet, die für die Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder zuständig ist, hat er in Deutschland die Rolle einer Einrichtung, in der Eltern ihr Kind möglichst lange belassen, damit es noch ein wenig spielen darf. Deutschland hat es versäumt und versäumt es weiterhin, Vorformen schulischen Lernens in Kindertageseinrichtungen einzubringen. Obwohl diese Institutionen immer mehr in die bildungspolitische Diskussion einbezogen werden, sind Erzieher und Erzieherinnen oft skeptisch in Bezug auf das Thema „Lernen“ und besonders in Bezug auf „Technische Erziehung“: Sie setzen es gleich mit Leistungsdruck und Überforderung, sprechen schnell von „Verschulung“ und beklagen den Verlust von Kindheit schlechthin.

 

Die Elementarerziehung muss sich bewusst werden, dass es im dritten bis fünften Jahr der kindlichen Entwicklung so genannte „kognitive Fenster“ gibt. Während dieser Phasen können Kinder spielerisch umfassend Wissen erwerben. Es handelt sich um den optimalen Zeitpunkt für die Aneignung von Akzent und Basisgrammatik einer zweiten Sprache, für die Orientierung im Raum und für elementares mathematisches Denken. Trotz dieser wohlbekannten Fakten gibt es kaum Konzepte für die Frühförderung von Vorschulkindern in Deutschland.

 

Ansätze für ein Bildungsangebot in Kindergärten, das auch naturwissenschaftliche und technische Aspekte umfasst, gibt es schon seit längerem. Erste Forschungsarbeiten wurden von Gisela Lück (Professorin für Chemie-Didaktik an der Universität Bielefeld) für den Kindergarten und von Elsbeth Stern für die Grundschule durchgeführt. Beide haben bewiesen, dass Kinder wesentlich früher als bisher angenommen in der Lage sind, naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten zu verstehen.

 

II.         Entwicklungspsychologische, kognitionspsychologische und neurophysiologische Voraussetzungen für die Hinführung zu naturwissenschaftlichen Phänomenen im frühen Kindesalter

 

Die entscheidende Frage ist, ob Kindern im Vorschulalter ein ihrem Alter entsprechender Zugang zu naturwissenschaftlichen Phänomenen überhaupt möglich ist und ob und auf welche Weise die Vermittlung frühkindlicher Naturwissenschaftserfahrung in Kindertagesstätten sinnvoll erscheint.

 

Bereits vor langer Zeit entdeckte die Entwicklungspsychologie (Piaget, Erikson, Lück etc.) die Existenz so genannter „kognitiver Fenster“ oder „sensibler Phasen“ in der frühen Kindheit. Diese Fenster bieten den bestmöglichen Zeitpunkt für den Erwerb einer Zweitsprache, die räumliche Orientierung und elementares mathematisches Denken. Informationen werden wesentlich schneller und effektiver verarbeitet als in späteren Phasen der kindlichen Entwicklung.

 

Die Erkenntnis, dass die Vermittlung naturwissenschaftlicher Erfahrungen im Vorschulalter möglich und sinnvoll zu sein scheint,. wird von immer mehr ForscherInnen gestützt. Sie weisen auf das frühe Interesse von Vorschulkindern an naturwissenschaftlichen Phänomenen hin und befürworten einen möglichst frühen, ihrem Alter entsprechenden Zugang zu naturwissenschaftlichen Phänomenen.

 

Kinder brauchen anscheinend Lernprozesse, die anspruchsvoll und ganzheitlich angelegt sind und in denen Geist, Psyche und Körper gleichermaßen beansprucht werden. Lernen gelingt nachhaltiger, wenn die Inhalte der Experimente aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Kinder kommen, in verschiedenen Zusammenhängen auftauchen, in denen möglichst viele Sinne angesprochen werden und von den Kindern selbst durchgeführt werden. Zusätzliche Motivation erzeugen die Lernsituationen, in denen viel gelobt wird und bei denen ein positives Klima herrscht. Gerade im Vorschul- und Grundschulalter sollte man den Einfluss von sozialen Vorbildern, wie Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen nicht unterschätzen. Die Art und Weise wie sie bestimmte Interessen ausstrahlen, wie liebevoll sie mit den Kindern umgehen und wie vielfältig sie die Körpersprache einsetzen, hat entscheidenden Einfluss auf das kindliche Lernen.

 

 

III.        Was hat das Lernen mit dem Geschlecht zu tun?

 

Mädchen und Jungen verhalten sich unterschiedlich, ihre jeweiligen Neigungen, Haltungen und Herangehensweisen sind verschieden. Dispositionen für spezifische Verhaltensweisen und Kompetenzen sind möglicherweise biologisch beeinflusst und genderspezifische Rollen­erwartungen und Kompetenzen werden durch die Sozialisation erworben.

 

Eine Polarisation der Geschlechter hat sich in den meisten Kulturen entwickelt. Sie führt zu geschlechtsspezifischen Fördermöglichkeiten und Berufsorientierungen, die selbst heute noch den gleichberechtigten Zugang von Mädchen und Frauen zu einigen Berufsfeldern erschweren. Dies trifft teilweise auf den Bereich der Naturwissenschaften zu, vor allem aber auf alle Berufe, die mit Technik zu tun haben.

 

1999 etablierte die Europäische Union den Gender Mainstreaming-Grundsatz als politisches Prinzip. Es bestimmt als verpflichtenden Grundsatz,  dass alle Maßnah­men der EU und ihrer Mitglieder auf ihre möglichen Auswirkungen für beide Ge­schlechter hin zu untersuchen und nur dann zu realisieren sind, wenn sie die Gleichstellung der Geschlechter unterstützen.

 

Um das Gender Mainstreaming-Prinzip in der technischen Früherziehung anzuwenden, müssen wir die Auswirkungen aller Entscheidungen auf beide Geschlechter vorab bedenken. Vor jedem neuen Projekt, bei jeder Einrichtung neuer Spiel- und Lernbereiche, aber auch im alltäglichen Umgang mit den Kindern in Kinderta­geseinrichtungen müssen wir uns die folgenden Fragen stellen:

 

  • Gibt es Partizipationsmöglichkeiten für Mädchen wie für Jungen?
  • Gibt es Zugangsbarrieren in Bezug auf Aktivitäten, Raum oder Zeit, die vom Geschlecht abhängen?
  • Ist es erforderlich, in bestimmten Lern- und Spielsituationen auf besondere Stärken und Schwächen oder spezifische Denkstrukturen eines der Geschlechter Rücksicht zu nehmen?
  • Ist es erforderlich, die Mädchen besonders für den Lernbereich Technik zu motivieren und zu verstärken?
  • Ist es sinnvoll, Experimentier- und Konstruktionssituationen in ihrer Gestaltung auf die jeweiligen Interessen der Geschlechter zu beziehen?
  • Ist es sinnvoll, gelegentlich mit geschlechtsgetrennten Gruppen zu arbeiten?

 

 

IV.        Technische Früherziehung durch audiovisuelle Medien: Fernsehen, Radio, Hörkassetten, Computerspiele, Internet

 

Kinder im Alter von 4-6 Jahren haben bereits ein ausgeprägtes Interesse an naturwissen­schaftlichen und technischen Sachverhalten. Dies zeigt sich v.a. daran, dass die Medien schon seit Jahren ein breites Angebot an Themen mit naturwissenschaftlichen und techni­schen Inhalten für Schul- und Vorschulkinder bereitstellen. Dennoch erfolgt die systemati­sche Vermittlung naturwissenschaftlicher Kenntnisse im bundesdeutschen Bildungssystem erst im Schulunterricht der Sekundarstufe I, d. h., Medien begeistern Kinder für natur­wissenschaftliche Themen lange bevor unser Bildungssystem Naturwissenschaftsvermittlung vorsieht.

 

Das Fernsehen gilt nach wie vor unter 3-9jährigen Zuschauern als beliebtes Medium der Unterhaltung, aber auch als Informationsquelle zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen, wobei das Angebot an Sendungen mit naturwissenschaftlichen Inhalten mittlerweile ein breites Spektrum einnimmt. Die erfolgreichsten Kindersendungen, in denen auch Inhalte zu den Themen Technik oder unbelebte Natur vorkommen, sind „Die Sendung mit der Maus“, „Löwenzahn“ und „Sesamstraße“.

 

Auch die auditiven Medien (Radio wie auch Tonträger) greifen das Thema der Vermittlung technisch-naturwissenschaftlicher Inhalte auf. Jüngere Kinder schätzen auditive Medien mehr als ältere Kinder und haben bereits sehr früh Zugang zu Kassetten: Bereits 70 % der Vierjährigen sind mit Abspielgeräten vertraut. Der Massenmarkt der Kinderhörkassetten ist vor allem ökono­misch orientiert, seine Produkte werden deshalb von Medienkritikern häufig auch als „Hörmüll“ bezeichnet. da sie üblicherweise Themen auswerten, die sich in anderen Medien erfolgreich bewährt haben.

 

Neben Fernsehen und Hörkassetten ist auch der Computer aus der Erfahrungswelt der Vor- und Grundschulkinder nicht mehr auszublenden. Es gibt zahlreiche Spiel- und Lernpro­gramme, die auf die verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen der Kinder abgestimmt sind. Für Vor- und Grundschulkinder gibt es bereits eine große Zahl an Computerspielen, die auch von 3-jährigen Kindern unbefangen und interessiert genutzt werden.

CD-ROMS vermitteln Kindern ab 4 Jahren tech­nisch-naturwissenschaftliche Kenntnisse auf spielerische Art und Weise und ermöglichen es ihnen, sich interaktiv Informationen über verschiedene Themen der belebten, aber auch unbelebten Natur (z.B. Erde-Wasser-Luft) anzueignen oder vorhandenes Wissen zu überprüfen.

 

Die Kinder sind auch dabei, das Internet zu erobern. Inzwischen gibt es einige hundert Internet­seiten, die sich speziell an Kinder richten. Eigens für Kinder geschaffene Suchmaschinen und Portale ermöglichen es ihnen, auch Informationen über wissenschaftlich-technische Inhalte zu finden.

 

 

V.         Möglichkeiten der methodisch-didaktischen Umsetzung naturwissenschaftlicher und technischer Themen

 

Bisher dürfte deutlich geworden sein, dass ein frühes Umgehen mit technischen und naturwissenschaftlichen Themen bedeutsam für die weitere Entwicklung der Kinder ist. Auf der einen Seite existiert eine Vielzahl von Büchern zu diesem Themenbereich mit zahllosen interessanten Experimenten. Auf der anderen Seite sind Hinweise auf systematische Untersuchungen und Möglichkeiten einer methodisch-didaktischen Umsetzung in der sozialpädagogischen Praxis selten.

Weitere Hinweise zur methodisch-didaktischen Umsetzung insbesondere physikalischer Experimente sind bei Mireille Hibon und Elisabeth Niggemeyer zu finden. Mögliche Ideen für den Einsatz von Computern in Kindertageseinrichtungen werden im Projektbericht der Fachschule für Sozialpädagogik des RVW-BK Lüdinghausen präsentiert.

 

Kontakt:
Richard-von-Weizsäcker-Berufskolleg
Auf der Geest 2
D-59348 Lüdinghausen

rvw-bk-LH@kreis-coesfeld.de