Ziele | Das Kind | Funktion des Unterrichts | Erste Schritte zur Integration
 
- Technik lehren
- Das Curriculum
- Lernaktivitäten steuern
- Bewertung und Selbst-Bewertung
- Quellen




2. Kapitel

 

Funktion des Unterrichts: Die Aufgabe des Lehrens 

 

2.   Gestaltung des Curriculums 

 

Im Allgemeinen sind es die Regierungen, die den theoretischen Rahmen der Erziehung, die Ziele für Schulen und Kursinhalte festlegen. Es gibt einige recht offene curriculare Normen (so wie in Katalonien und Portugal), die eher einige allgemeine psychologische und pädagogische Richtlinien, allgemeine Ziele und Inhalte festlegen. Diese Systeme überlassen den Schulen die Verantwortung ihr Curriculum konkreter festzulegen. In anderen Ländern sind die Normen geschlossener. Dort bestimmen die Autoritäten viel genauer Ziele und Inhalte, aber selbst in diesen Fällen hat das Team der Lehrer an der Schule noch die Verantwortung für die Auswahl der Aktivitäten im Klassenraum.

 

Sollten Lehrer Inhalte und Aktivitäten auswählen? Es gibt Strömungen die glauben, dass Vor- und Grundschullehrer weder Inhalte adaptieren, noch Aktivitäten entwickeln sollten, sondern dass sie besser die von Spezialisten in Erziehungsprojekten geschaffenen Aktivitäten benutzen sollten.

 

Es gibt auch viele Studien, die nachweisen, dass Lehrer von ihren eigenen Ideen zu Inhalten und zum Lehr-Lernprozess beeinflusst sind, wenn sie  didaktische Vorschläge interpretieren. So führen sie Aktivitäten im Klassenraum durch, die sehr verschieden sind von den Absichten und Ansätzen, die in dem Originalprojekt beabsichtigt waren. Deshalb muss ein Lehrer, obwohl er Aktivitäten benutzt, die in Projekten entstanden sind, in der Lage sein, diese zu verstehen, sie zu beurteilen und sie an den spezifischen Kontext in seiner / ihrer Klasse anzupassen.

 

Wenn wir eine kindzentrierte Erziehung zu Autonomie wollen, die entsprechend die Verschiedenheit der Menschen und Situationen respektiert, so muss, so sehen wir es, das Curriculum immer einen Grad an Offenheit haben, der erlaubt, es an den spezifischen Kontext anzupassen, obwohl die Basisziele gut definiert sind. Tatsächlich scheinen aktuelle Trends bei den Erziehungsbehörden in Richtung auf das Etablieren eines Minimums an Fertigkeiten zu gehen.

 

Wir glauben, dass der Lehrer in der Lage sein muss, Aktivitäten, die auf konkrete und reale Lernsituationen zugeschnitten sind, zu evaluieren und erneut zu gestalten. Es ist klar, dass diese Aufgabe immer in der Verantwortung des Erzieherteams liegt, das zusammen an einer Schule oder in einem Gebiet arbeitet.   

 

2.1.   Von der Technik der Techniker zur Schultechnik

Die Art, wie Inhalte von Fächern in der Schule eingeführt werden, so dass die Schüler sie nutzen können, ist nicht die Art, wie sie von Experten erarbeitet worden ist. Inhalte für Unterricht passend zu machen bedeutet nicht nur Vereinfachen um die schwierigeren oder abstrakten Merkmale zu entfernen, es ist ein komplexerer Prozess. Der Prozess, durch den wissenschaftliche Inhalte zu Schulinhalten werden, ist von Chavallard (1985) didaktische Transposition genannt worden.  

 

Da Technik ein Bereich mit wenig Tradition im Vor- und Grundschulbereich ist, werden wir uns auf den ähnlichen Bereich der experimentellen Wissenschaften beziehen. Hier ist es klar, dass die in der Schule unterrichtete Wissenschaft ein für den Unterricht konstruiertes Produkt ist, mit Konzepten, Erfahrungen, Experimenten und einer Sprache, die speziell für den Unterricht gewählt wurden. Im Wissenschaftsunterricht sind noch heute einige didaktische Transpositionen in Kraft, die seit mehr als einem Jahrhundert verwendet werden (gleichzeitig gibt es wichtige moderne Inhalte, die nicht im verbindlichen Lehrplan stehen: wieder ein Beispiel für Trägheit im Unterricht!).

 

Didaktische Transposition meint nicht nur die Auswahl, Anpassung und Reihung von zu unterrichtenden Inhalten – was bedeutet, dass man sich der charakteristischen Modelle des Faches erinnert - es beinhaltet auch andere Faktoren, wie beispielsweise die kognitive Struktur des Kindes, Gender und den Kontext.  

 

Um uns damit zu beschäftigen, wie unterrichtete Inhalte und Aktivitäten konkretisiert werden, verlassen wir uns auf einen Bericht von Sanmartí in einem aktuellen Buch (2002) über das Unterrichten von Wissenschaft. Der Autor überlegt, dass die folgenden Punkte beachtet werden sollten, um den Wissenschaftslehrplan zu konkretisieren:

-        die bedeutendsten Modelle der betreffenden Wissenschaft,

-        die möglichen Lehr- Lernkontexte, 

-        Niveau, Interessen und vorheriges Wissen der Schüler,   

-        die mögliche Reihenfolge der Inhalte.  

Wir würden eine fünften Punkt hinzufügen:

-        die Interessen der Schüler je nach Gender.  

 

2.1.1.      Die Referenzmodelle didaktischer Transposition 

Die Auswahl der Inhalte kann nicht von der Auswahl des Wissenschafts- und Erziehungsmodells getrennt werden. Die traditionellste Option in didaktischer Transposition geht von einem spiralförmigen Wissenschafts- und Erziehungsmodell aus, in dem es bestimmte Grundkonzepte gibt, die durch den Erziehungsprozess konstruiert werden. Bei dieser Möglichkeit werden Basiskonzepte (Bewegung, Kräfte, Energie, chemische Veränderung, lebende Dinge, Ökosystem etc.) durch die Analyse der klassischen Fächerstrukturen (Physik, Biologie etc.) abgeleitet, und einzeln und in Folge in den Lernprozess eingeführt.   

 

Es gibt andere Optionen mit anderen Kriterien für die sequentielle Einführung von Konzepten. Ein Beispiel, das ein wichtiger Bezugspunkt im Wissenschaftsunterricht ist, ist das SCIIS Projekt (1978). Dieses basiert auf den interdisziplinären Konzepten Interaktion, Stoff, Energie, Organismus und Ökosystem, die ein allgemeines Wissenschaftsmodell bilden. 

 

Klassisch ist eine analytische Option didaktischer Transposition: Die Basiskonzepte einer Theorie sind bestimmt und geordnet, und sie werden während des Lehrprozesses unter der Annahme, dass der ideale Schüler das, was schon gelehrt wurde auch schon gelernt hat, geordnet behandelt. Forschungen jedoch haben gezeigt, dass dem nicht so ist: Schüler lernen nicht linear, ihre Logik ist nicht die Logik des Lehrers und der allgemeine Sinn des erklärenden Modells, das der Lehrer vermitteln möchte, geht oft verloren. 

 

Im Augenblick bürgern sich holistische Optionen didaktischer Transposition ein: Diese basieren auf der Idee, dass Wissenschaft sozial um die Fakten und Theorien herum gebaut ist, die sie erklären, und zwar durch einen Prozess, in dem diverse Ideen und Debatten grundlegend sind. Wir glauben, dass dieses Modell näher an der erzieherischen Wirklichkeit ist und es auch Kindern besser passt.

 

Holistische Transpositionen basieren nicht auf linearem Lernen von Konzepten, sondern auf dem Wachsen der Fähigkeit Dinge zu erklären und in einer gegebenen Umgebung zu handeln. Es ist nicht eine Frage des Schaffens von einer Reihe von Aktivitäten die alle Konzepte, die eine Theorie ausmachen, einführen, von der elementarsten zur komplexesten, der Logik der Theorie folgend. Eher ist es so, dass Tatsachen oder interessante Situationen gegeben werden – z.B. warum tragen Leute Brillen? –, die durch das Bauen von Theorien und Erklärungsmodellen in ähnlicher Weise erklärt werden müssen wie Geschichten (Ogborn et al., 1996). Diese Situationen und Geschichten können sich auf verschiedene Weisen entwickeln und ständig komplexer werden. Der Konzeptcharakter erscheint in verschiedenen Kontexten; Geschichten und Charaktere sind miteinander verwoben und geben sich gegenseitig Bedeutung dadurch, dass sie Teil einer langen allgemeinen Geschichte werden, deren Ende offen bleibt.  

 

Das Erlernen von Wissenschaft wird dann verstanden als die Entwicklung der Fähigkeit, Erklärungen für Fakten zu konstruieren, die mit den wissenschaftlichen Modellen übereinstimmen. Lehren besteht im Favorisieren der Konstruktion und Entwicklung eines erklärenden Modells.

 

Können wir diese Option auf den Bereich Technik übertragen? In der Tat, das können wir, und zwar durch das Verschieben der Betonung von der Konstruktion “wissenschaftlicher Erklärungen” zu der Ausarbeitung von “Erklärungen dazu, wie es funktioniert oder wie es gemacht werden kann” und zur Konstruktion von Lösungsmodellen.

 

2.1.2.      Der Kontext des Handelns  

Inhalte werden in spezifischen realen Situationen unterrichtet. Dass diese Situationen in der Umgebung des Kindes relevant sind, ist einer der Gemeinplätze der wichtigsten pädagogischen Theoretiker in der Geschichte der Erziehung (Pestalozzi, Dewey, Decroly, Freinet usw.). Trotzdem werden die Situationen, die für den Unterricht ausgewählt werden, noch immer hauptsächlich im Schulkontext geschaffen. Dies ist wahrscheinlich so, weil reale Probleme sehr komplex sind und Unterricht die Situation normalerweise vereinfacht.  

 

Allerdings ist dieses Problem nicht so schwerwiegend, wenn man von Technik spricht, da Technik von sich aus bereits interdisziplinär ist und es einfach ist, bedeutsame Zusammenhänge in der Umgebung des Kindes zu finden. Außerdem haben in der Vorschulerziehung Lehrer den Vorteil, dass sie über eine lange Erfahrung mit Arbeitsprojekten und Interessenschwerpunkten in der Umgebung der Kinder verfügen.

 

Ein wichtiger Punkt, den man beachten muss, wenn man technische Erziehung für Mädchen und Jungen anstrebt ist: Wir müssen die Arbeit in gemischten Gruppen fördern und sensibel sein für Situationen, die beide Geschlechter interessieren.

  

  

2.1.3.      Die Interessen und das Vorwissen der Schüler 

Da wir bereits mehrfach die Notwendigkeit erwähnt haben, die kognitiven Fähigkeiten zu beachten, werden wir diesen Punkt nicht ausführlich behandeln. Wir möchten dennoch zwei wichtige didaktische Variablen diskutieren, die der Schüler mitbringt: Vorwissen und Interesse.

 

Unser Projekt umfasst eine weite Altersspanne (von 3 bis 12 Jahren). So gibt es, abgesehen von der zunehmenden kognitiven Reife der Kinder, auch einen forschreitenden Erwerb von Konzept- Prozess- und Einstellungswissen. Deshalb muss man sich bei der Gestaltung von Aktivitäten an das von den Kindern erworbene Wissen erinnern. Andernfalls können wir in allzu übliche erzieherische Praktiken beim Unterrichten von Wissenschaft fallen, bei denen Lehrer die Inhalte und Aktivitäten verschiedener Jahre  mit sehr wenig Variation wiederholen, „weil die Schüler sich nicht gut genug erinnern“. Das andere Extrem ist, wenn neue Inhalte eingeführt werden, ohne dass sie mit anderen Inhalten, die in vorherigen Jahren bearbeitet wurden, in Beziehung stehen.

 

Die Konsequenz aus diesen beiden Vorgehensweisen ist, dass die Aktivitäten an Bedeutung verlieren und die Schüler ihr Interesse. Das Interesse der Kinder an der Sache ist der andere wichtige Punkt, den man beachten muss.

 

Alle Lehrer sind sich bewusst wie wichtig es ist, Schüler für ihre didaktischen Vorschläge zu interessieren. Nach der Handlungstheorie erfordert der erzieherische Erfolg einer Handlung, dass der Grund, der den Schüler zu einer Handlung antreibt, mit dem erzieherischen Zweck dieser Handlung übereinstimmt.  

 

Ogborn (1996) bezieht sich auf Interesse mit seinem Konzept “Schaffung von Unterschieden”, das impliziert, dass der Schüler sich in die Handlung involviert fühlt, wie jemand, der etwas sucht. Er / sie weiß, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was er / sie vor der Handlung weiß und danach; und dass dieses Wissen ihn / sie motiviert, diese Handlung auszuführen.

 

Harlen (1993) bezieht sich in einem ähnlichen Sinn auf Interesse; ihr zufolge ist es die Eigenschaft des Rätsels oder von Verwirrung, die eine Handlung für einen Schüler interessant macht und die den dringenden Wunsch nach Erforschung schafft. 

 

Es ist einfach, Kinder für neue Situationen zu interessieren, da ihre Erfahrung begrenzt ist, aber es ist auch möglich und notwendig, sie für gewohnte Situationen zu interessieren wenn wir die Fähigkeit haben, diese zu präsentieren und die Kinder in stimulierender Weise zu leiten. Abgesehen von der Wahl der Aktivitäten und Kontexte um Schüler zu beteiligen, liegt die Aufgabe der Motivation tatsächlich in der Verantwortung des Lehrers, der die Aktivität einführen und leiten muss. An dieser Stelle möchten wir die Wichtigkeit der Ermutigung von Mädchen und Jungen bei Aktivitäten zu technischer Erziehung gleichermaßen hervorheben. Es ist auch wichtig, sich besonders auf die Motivation zu konzentrieren, wenn man direkt mit Mädchen umgeht.

 

Ein wichtiger Aspekt der Motivation, der die Bedeutung von Aktivitäten erhöht, ist, dass neue Vorschläge mit Vorhergehenden verbunden sein müssen. Schüler können beteiligt werden, indem man sie an vorhergehende Aktivitäten erinnert und indem man konkrete Aspekte der Beziehung zwischen Vorhergehendem und Gegenwärtigem explizit nennt. Wir müssen Angaben darüber machen, warum wir eine Aktivität durchführen, was sie zum Wissen der Schüler beiträgt und wie die nächste Stufe aussehen wird.

 

2.1.4.      Die Reihenfolge der Inhalte

In jenen didaktischen Transpositionen, die die analytische Option wählen ist es klar, dass die Reihenfolge durch die Auswahl der Inhalte und die Struktur des Themas bestimmt wird. So ist es beispielsweise typisch, erst von Bewegung und dann von Kräften zu sprechen, erst von Position und Bewegungen, und dann von Geschwindigkeit usw. Aber wir haben bereits gesagt, dass wir für eine holistische didaktische Transposition stimmen, die nicht durch die interne Struktur des Themas bestimmt wird, sondern eher durch den Kontext, Fertigkeiten, Wissen und Interessen von Schülern und die Relevanz der Situation, die wir untersuchen wollen.

  

Dieser Ansatz erfordert viele Synthesen und Rekapitulationen die verschiedene Aktivitäten verbinden und sie im Hinblick auf das allgemeine Curriculum lokalisieren. Dies ist eine spezielle Funktion von Lehrern, die Scott (1998) “Erhaltung der Unterrichts- und Curriculum Erzählung” nennt und die, wie wir in dem vorhergehenden Abschnitt gesagt haben, auch motivationale Aspekte hat.

 

Kontext und soziale Relevanz dienen als Kriterium für die Auswahl eines bestimmten Problems oder einer bestimmten Situation. Wir können es uns zum Beispiel nicht leisten, die Gelegenheit einer Sonnenfinsternis zu vertun, denn wir können verwandte Themen bearbeiten (Beobachtungsapparat, Bildung von Schatten usw.); oder es wird wahrscheinlich in einer ländlichen Schule interessanter sein, gegen Ende des Frühlings über das Herstellen von Marmelade zu sprechen, dann, wenn wir losgehen können um Erdbeeren zu pflücken.

 

Wir müssen auch an den Schüler als ein Kriterium bei der Ordnung der Reihenfolge denken. Ein erster bekannter Schritt ist es, die Aktivität an das kognitive Level des Schülers anzupassen. Dies legt auch die Notwendigkeit nahe, Reihenfolgen für Aktivitäten zu planen, die  beispielsweise von konkreteren und einfachen Aktivitäten zu abstrakteren und komplexeren gehen, oder mit Beobachten zu beginnen, bevor man etwas gestaltet.

 

Ein zweiter Punkt, an den man sich erinnern muss, ist das Vorwissen des Schülers. Es gibt bereits jetzt Projekte, die sich mit dem Unterrichten von Wissenschaften beschäftigen und die wesentlich darauf basieren, das Vorwissen des Schülers deutlich zu machen. Dies ist z.B. bei dem Nuffield Primary Science SPACE Projekt (1998) der Fall, in dem Schüler mit Vorschlägen arbeiten, die auf ihren eigenen Ideen beruhen und die mit ihrer Beteiligung gewählt wurden. Die Reihe der Aktivitäten beginnt mit dem Schritt „Herausfinden der Ideen der Kinder“, in dem Schüler gebeten werden ihre Meinungen zu äußern, in einer Diskussion im Team, in einem Einzelgespräch, mit einer Zeichnung oder geschrieben – zu einer Situation, die sie erforschen wollen. Durch diese erste Aktivität werden sich die Schüler ihres Wissens bewusst und der Lehrer entwickelt eine Vorstellung davon, was ein interessanter Unterrichtsgegenstand sein könnte. Der nächste Schritt ist „Kindern helfen ihre Ideen zu entwickeln”, wobei Schüler eingeladen werden, in Übereinstimmung mit dem, was sie denken, Vorhersagen zu machen oder Ideen und Erfahrungen vorzutragen, die helfen könnten die Situation, die sie erforschen zu erklären. Wenn man sich über die Vorschläge geeinigt hat, führen die Schüler sie aus, interpretieren sie und evaluieren die Ergebnisse.

 

Unserer Meinung nach ist dieser Reihenansatz, der von dem Wissensstand der Schüler ausgeht, perfekt  mit der technischen Projektarbeit oder Analyse von Objekten vereinbar, bei der wir mit konkreten Situationen anfangen, in denen die Schüler ihr Wissen ohne Hemmung ausdrücken können. 

 

2.1.5.      Gender und Curriculum  

Im vorhergehenden Kapitel haben wir Beweise für die unterschiedlichen Einstellungen und Ergebnisse zwischen Jungen und Mädchen in wissenschaftlicher und technischer Erziehung umrissen. Verschiedene Untersuchungen haben diese Unterschiede aufgezeigt. Die zu ihrer Rechtfertigung vorgebrachten Argumente – biologische, soziokulturelle und erzieherische – sind noch immer Gegenstand von Debatten. Es scheint jedoch klar zu sein, dass soziale Strukturen und die kulturelle Umgebung einen negativen Einfluss auf die Performanz in und Einstellung von Mädchen zu Wissenschaften (hauptsächlich Physik) und Technik haben.

 

Bestimmte Modellversuche haben versucht diese Situation zu verbessern, z.B. das GIST Projekt (Girls into Science and Technology), das bestätigte, dass soziale, kulturelle und erzieherische Faktoren die wesentlichen Einflüsse waren (Reid 1989; Kelly 1984). In den Schlussfolgerungen des Projekts wurden folgende Empfehlungen zur Gestaltung eines interessanteren Lehrplans für Mädchen gegeben:  

- Männliche Tendenzen in Sprache, Illustrationen und Beispielen zu eliminieren.

- Experimentelle Tätigkeiten mit anderen Typen von Tätigkeiten die Mädchen lieber mögen (Debatten, freies Schreiben, etc.) zu kombinieren.

- Die Anwendung von Wissenschaften und Technik im täglichen Leben zu betonen.

- Mit Themen zu beginnen, die Mädchen interessieren und ihnen bekannt sind.

 

Wir glauben, dass Lehrer diese und andere Empfehlungen, die Forschungsgruppen machen konnten, nicht vergessen dürfen.  

 

Das wichtigste jedoch ist, dass man sich des Problems bewusst ist und sensibel darauf reagiert. Neue Vorschläge müssen ausprobiert werden, denn auf einige Fragen die wir im ersten Kapitel gestellt haben dazu, was wir in Bezug auf Gender tun sollen, werden wir nur durch Experimente eine Antwort finden.

 

2.2.            Kulturelle und professionelle Fertigkeiten

 

Die Aufgaben der curricularen Gestaltung, die wir gerade erklärt haben, erfordern gewisse Kompetenzen, die in der Anfangsausbildung enthalten und beruflicher Weiterbildung von Lehrern aufgefrischt werden müssen. Diese Kompetenzen setzen sich aus kulturellen und professionellen Fertigkeiten zusammen.

 

2.2.1.      Kulturelle Fertigkeiten

Dies bedeutet ein ausreichendes Wissen über die technischen Inhalte, die der Lehrer zu unterrichten hat. Dieses Wissen erlaubt ihm / ihr, Ziele für den Unterricht von technischen Inhalte zu erkennen und Unterrichtsmöglichkeiten zu Technik auszuwählen und anzupassen. Wenn wir uns die Situation in den an diesem Projekt beteiligten Ländern (erklärt in Kapitel 1) in Erinnerung rufen, dann sieht es nicht so aus, als ob diese Forderung im Bereich Technik erfüllt würde. Wir brauchen ein Techniktraining für Vor- und Grundschullehrer. Dies ist sowohl ein Ziel als auch eine Forderung unseres Projektes. Es ist entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg von technischer Erziehung.

 

Zwei weitere Punkte müssen noch hinzugefügt werden. Erstens erfordert eine technische Kultur umfassendes praktisches Training in Gestaltungs-, Konstruktions- und Experimentierfertigkeiten. Dieses Training ist gleichbedeutend oder wichtiger als das, was für eine Ausbildung in den experimentellen Wissenschaften als notwendig erachtet wird. Werkstatt und Laborerfahrung muss deshalb im Mittelpunkt der Ausbildung von Technik-Lehrern stehen.  

 

Der zweite Punkt ist, dass Mädchen Motivationsprobleme mit Technik haben (abgesehen von ICTs), aber dennoch die meisten Vor- und Grundschullehrer Frauen sind. Um diese negative Dynamik zu lösen bedarf es besonderer Sensibilität.

 

Wir möchten außerdem eine wichtige Eigenschaft der kulturellen Fertigkeiten der Lehrer hervorheben: Sie müssen in der Lage sein, sich selbst in einer sich verändernden Welt auszubilden. Das wichtigste Merkmal von Lehrerausbildung sollte ihre Lernfähigkeit sein.

 

Dieser Punkt führt zu einem weiteren Aspekt, der mit Einstellung zu tun hat. Ebenso wie eine positive Einstellung zu Technik entwickelt werden muss, besonders von Frauen, so muss auch eine positive Bewertung der Lernanstrengung erworben werden. Zu oft haben wir in unserer Lehrerausbildung Studenten gefunden, die unwillig waren, neue kulturelle Inhalte zu erlernen, so als ob sie glaubten, dass sie bereits genug wüssten, und die nur daran interessiert waren das zu unterrichten, was sie schon wussten. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Spaß am Lernen eine notwendige Vorbedingung sein sollte, wenn man Lehrer werden möchte, denn wenn wir Lernen nicht mögen, wie können wir Kindern dann positive Einstellungen zum Lernen vermitteln?

     

2.2.2.      Professionelle Fertigkeiten

Lehrer brauchen ein gewisses psychologisches, pädagogisches und methodisches Wissen. Sie müssen die Dimensionen der kognitiven, affektiven und sozialen Entwicklung von Kindern kennen und in der Lage sein, Inhalte und Aktivitäten an ihre Möglichkeiten anzupassen und die Bedeutung ihrer Performanz zu verstehen. Aber das professionelle Geschick von Lehrern muss ihnen auch erlauben, ihre Suche nach effektiveren Arten des Lehrens fortzusetzen. Dies impliziert auch eine Grundausbildung in Erziehungsforschung, die heute normalerweise zu Beginn der Lehrerausbildung stattfindet.

 

Wissen über den psychologischen und pädagogischen theoretischen Rahmen, der die Performanz von Lehrern bestimmt, ist von signifikanter Bedeutung. Und wenn wir sagen “signifikant”, dann meinen wir entscheidend, denn wie Formissano (1990) herausgestellt hat: “was wirklich wichtig ist, ist zu wissen, wie man sich kohärent, auf der operativen Ebene, auf das theoretische Modell bezieht, das der Lehrer als die kulturelle Bezugslinie für seine / ihre Arbeit gewählt hat.“ Um ein Beispiel des gleichen Autor zu geben: wenn Vigotsky ein Bezugpunkt für den Lehrer ist, dann muss der Lehrer von der Bedeutung wissen, die in Vigotskys Theorie sozial-kognitiven Interaktionen als Basis für die Verinnerlichung von Konzepten zukommt, die zunächst konstruiert werden und in Interaktionen mit anderen Kindern und Erwachsenen existieren, bevor sie in individuellen Gedanken existieren. Deshalb ist zu erwarten, dass dieser Lehrer Aktivitäten auswählen wird, die Diskussion und Teamarbeit an die erste Stelle in jedem Wissensgebiet (inklusive Technik) zu setzen.